Nicole Hess

Dr. phil. I, Kulturmanagerin MAS
stv. Generalsekretärin
Migros-Genossenschafts-Bund

Department of Communication
Namibia University of Science and Technology

29. July – 9. August 2019

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Zusammenarbeit mit den Kollegen

Wer zum ersten Mal einen Dozenteneinsatz an einer ihm bisher unbekannten Universität leistet, ist angewiesen auf vielfältige organisatorische, technische und menschliche Unterstützung. Ich wurde am Department of Communication NUST wie auch vom International Relations Officer Nico Smit mit Offenheit und Vertrauen empfangen. Wann immer eine Frage auftauchte zu den Abläufen im Unterricht, technischen Hilfsmitteln wie z.B. den Videokameras oder zu kulturellen Gepflogenheiten: Das Team um die Sektionsleiterin für Journalismus und Medientechnologie Dr. Nkosinothando Mpufo stand hilfsbereit zur Seite. Umgekehrt war es mir ein Anliegen, dass die Tür zum Büro, das ich während meines Einsatzes im Departement beziehen durfte, immer offen war. So ergaben sich zwischen den Lektionen Gespräche mit den Kollegen, die mir wertvolle Einblicke in ihre Lehrtätigkeit, die Herausforderungen der Universität und des Landes – aber auch in persönliche Geschichten und Lebensumstände ermöglichten.

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Unterricht mit den Studierenden

Mein Einsatz umfasste sowohl einen über zwei Wochen laufenden Workshop zur professionellen journalistischen Interviewführung für die Bachelor-Studierenden, als auch einen kurzen Input zu Rechten und Pflichten von Journalisten bei den Master-Studierenden. Da sich das Department of Communication seit 2015 in der Umwandlung von einem College zur mit anderen Departementen der NUST vergleichbaren Hochschulausbildung befindet, findet der Unterricht derzeit in Randstunden oder als Seminar an Wochenenden statt. Dies auch aus Rücksicht auf werktätige Studenten. Die Studierenden kamen zwar oft zu spät zum Unterricht, was offenbar nicht ungewöhnlich ist, waren sie aber einmal da, sogen sie die Inhalte auf und nahmen interessiert und aktiv an den Diskussionen teil – selbst mit Beginn der Lektionen um 20 Uhr.

Dieser Umstand hat mich ebenso beeindruckt wie das grosse politische und kulturelle Bewusstsein der jungen Generation. Dieses manifestierte sich insbesondere in den praktischen Übungen zur Interviewführung, die wir aufgrund der vorgängig vermittelten theoretischen und gesprächstechnischen Grundlagen in Kleingruppen durchführten. Egal, ob in der Versuchsanordnung„Interview mit dem Staatspräsidenten“ vor den Wahlen im Herbst 2019 für ein Printmedium, oder in der Anlage „Interview mit dem Koordinator des NUST Cultural Festival“, das wir in der zweiten Unterrichtswoche als Livestage für Video-Aufnahmen nützten: Die Studierenden erarbeiteten und stellten in beiden Fällen relevante und kritische Fragen. Insbesondere auf die konkreten Resultate der Video-Interviews waren sie sehr stolz.

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Paneldiskussion zur Rolle der Medien in demokratischen Gesellschaften

Auf Initiative des Department of Communication und unter Federführung von Nico Smit fand am 6. August 2019 eine öffentliche Paneldiskussion zum Thema „The Role of the Media in Contemporary Democratic Societies“ statt. Die Veranstaltung, an der ein Print- und TV-Journalist aus Namibia, ein Vertreter des Ministeriums für Information und Kommunikationstechnologie,  ein Dozent des Department of Communication und ich als Gast aus der Schweiz teilnahmen, war gut besucht, vor allem auch von Studierenden.

Das Panel erlaubte nicht nur unterschiedliche Perspektiven auf ein aktuelles Thema, sondern zeigte eindrücklich auch die Herausforderungen, mit denen Namibia sich 29 Jahre nach der Staatsgründung konfrontiert sieht. Als junge Demokratie, deren zerklüftete Geschichte mit Kolonialisierung, Genozid an zwei Ethnien, Apartheitserfahrung und sozialistisch inspiriertem Befreiungskampf längst nicht bewältigt ist. Und zugleich als Teil einer globalisierten Welt, in der Online und Social Media die traditionellen Medien als Foren des öffentlichen Diskurses abzulösen scheinen. Beispielhaft für diese Entwicklung war die Frage eines Studenten, was in Bezug auf Social Media höher zu gewichten sei: Die Freiheit, die sie bieten, oder die Gefahr für die Gesellschaft. Als Beitrag in einer angeregten Publikumsdiskussion hätte diese Frage auch im so genannten Westen gestellt werden können.

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Die junge Generation – persönliche Erkenntnis

Dass sich die Träume der nachrückenden Generation über Kontinente hinweg gleichen können, war für mich die Quintessenz eines Konzerts der namibischen Popsängerin ML im Goethe Institute. Zwischen zwei Songs, welche die junge Frau u.a. dem Unabhängigkeitstag, den namibischen Frauen und Windhoek widmete, sagte sie den bemerkenswerten Satz: „In this country the elderly generation is much more united then we are.“ Er war für mich Ausdruck dafür, dass man gerne mehr Verantwortung für das Land übernehmen würde – wenn man denn nur wüsste, wie. Und vielleicht auch die Benennung einer Lücke, weil eine neue gesellschaftliche Vision (noch) fehlt. Nicht nur in Namibia.